„Wir schreiben das Jahr 1988. Ronald Reagan ist Präsident der USA, in Moskau leitet Michail Gorbatschow einen Wandlungsprozess ein, […], die ersten CDs ersetzen Schallplatten, man trägt mit Begeisterung Dauerwelle, Steghosen und Pastellfarben – und in der Glein, einem kleinen Ort nahe Knittelfeld, lässt Toni Hubmann die Hühner frei.“ In dieser historisch beachtlichen Reihe steht der Beginn von Toni´s Freilandeiern geschrieben. Aber Bestand hatte seine revolutionäre Hühnerhaltung: Viele Hühner-Generationen gegackerten seitdem über die Wiesen.

Text und Fotos: Mascha K. Horngacher

Toni Hubmann, bärig in seiner Statur, ist ein wahrer Patron. Als Schirmherr über zehntausend Hennen ist er ebenfalls umgeben von seiner Familie. Sechs Kinder hat er, zwei davon sowie seine Frau arbeiten im Betrieb mit. Mediengewandt führt er an einem herbstlich anmutenden Maitag über sein Reich. Grund dafür ist seine gemeinsame Sache mit Greenpeace zur Rettung der Bienen, die Vorstellung seiner neuen Initiative HenneHahn und des neuen Hühner-Wohnwagens. Trotz dem nahen Beginn eines Prozesses, indem er wegen Fälschung von Mindesthaltbarkeitsdaten angeklagt ist, wirkt er entspannt, und glaubt sich mit dem Recht auf einer Seite.

Luxus Variante: der fahrbare Hühnerstall
Dem Toni Hubmann seine Farm erstreckt sich rechts und links der Glan und einer Landstraße bis zu nahen Waldrändern. Anfangs glaubt man beim Aufhauser gelandet zu sein, denn im ersten Gehege tummeln sich Jacks, Schweine und Esel. Doch dann erblickt man schon die braun gefiederten Hinterteile der Akteurinnen. Auf einer saftigen Wiese picken und scharren sie nach Essbarem, verwechseln Schnürsenkel mit Würmern, und kehren abends Heim in ihr neues zuhause: einem Wohnwagen. Diese Hühner sind jung, einrassig und privilegiert.

Toni´s Hühner Gärten
Es gibt noch andere Herbergen. Zwar nicht minder an Auslauf, mit vielen Büschen, Bäumen und hohem Gras zum Verstecken, aber die Bewohner-Zahl geht steil nach oben. Nach oben zeigen auch die weißen, braunen und schwarzen Schwanzfedern der vier Rassen, die hier untergebracht sind. Dass zu viele Schwarze nicht toleriert werden, zeigt deren ausgerupftes Arschgefieder – Toni Hubmann kann sich den Vergleich mit Menschen nicht verkneifen. Der Stall ist also dicht gedrängt mit Hühnern und vereinzelten Hähnen. Auf einen Hahn kommen fünfzig Hennen, erklärt der Geflügelbauer. Auch dass der Stall, eine lange Halle mit so genanntem Kotbrett und drei bis vier hölzernen Sitzstangen, einmal im Jahr ausgemistet werde. Nicht nur deshalb werden Nasen gerümpft – der Ammoniakgeruch der Hühnerkacke ist bestialisch.

Jedes Ei kennt seinen Bauern
Dennoch kommen von diesen Hühnern die besten Eier unter Sonne, wie der Slogan behauptet. Also von denen und von jenen der 150 Partner-Bauern. Alles Freilandeier und fünfzig davon biologisch. Wo jetzt genau der Unterschied ist, beschreibt Vier Pfoten: Der größte Unterschied zwischen einer Biologischen Freilandhaltung und einer Freilandhaltung besteht in den Bestimmungen für die Futtermittel und die Besatzungsdichte im Stall.

Hier kann man gleich die Info nachschießen, wie allgemein die Nummern auf den Eiern zu lesen sind:

Ziffer 3 – Käfighaltung: 800 Quadratzentimeter pro Henne.

Ziffer 2 – Bodenhaltung: 9 Hennen/m². In Hallen mit mehreren Etagen 18 Hennen/m². Maximale Gruppengröße: 6.000 Legehennen.

Ziffer 1 – Freilandhaltung: Innenraum wie Bodenhaltung + Zugang ins Freie. Die Freilandfläche muss bewachsen und über die gesamte Fläche gleichmäßig verteilt sein. Der Auslauf muss täglich uneingeschränkt zugänglich sein. Auslaufgröße: 4 m²/Tier. Bei Toni´s ist der Standard zehn m²/Tier.

Ziffer 0 – Ökologische Erzeugung: 6 Hennen/m² . In Hallen mit mehreren Etagen 12 Hennen/m². Maximale Gruppengröße: 3.000 Legehennen. Auslauf wie Freilandhaltung (4 m²/Tier). Es darf ausschließlich ökologisch erzeugtes Futter aus gentechnisch unveränderten Erzeugnissen verwendet werden.

Damit die Standards von Toni´s eingehalten werden, gebe es laufend regelmäßige und unangekündigte Kontrollen. Auch externe Kontrollen gibt es von der AMA. Es geht ihnen also besser als vielen Artgenossinnen. Und nach zwei Jahren Dienst bei Toni´s, werden die Hennen an private Züchter, Bauernhöfe oder Hühnerhalter abgeben. Die restlichen Tiere werden zu Suppenhühnern weiterverarbeitet. Dass es nun auch den Artgenossen gut geht, dafür sorgt ein neues Programm bei Toni´s.

Kein Sexen dafür Hähnchen
Vierzig Millionen männliche Kücken werden jährlich allein in Deutschland getötet und zu Tierfutter verarbeitet. Diese Trennung der Weibchen von den Männchen nennt sich Sexen. Damit die Jungs auch eine Chance haben, quasi Ressourcen nicht verschwendet oder Essen weggeschmissen wird, bezieht Toni´s zwei bis drei Mal im Jahr gleich viele männliche wie weibliche Kücken. Am ersten Tag nach dem Schlüpfen machen sich die „Zweinutzungshühner“ der deutschen Firma Lohmann auf den Weg in die Steiermark. Der duale Nutzen bezieht sich auf die Legehenne und den Hahn: Sie legen annähernd gleich viele Eier wie herkömmliche bzw. benötigen nur wenige Wochen mehr, um ihr ideales Schlachtgewicht zu bekommen – das sind bei Toni´s genau neunzig Tage.

Tutti paletti
In idealer Form – gebraten in Stücken – werden dann auch einige Hähne im gemütlichen Esszimmer der Familie Hubmann serviert. Wie bereits während dem Rundgang bemerkt, Toni Hubmann weiß sich zu präsentieren und zu inszenieren: Um den arrangierten Esstisch – mit Wiesenblumenstrauß, Biosäften und Wein – haben sich die zwei ältesten Söhne, die beiden jüngsten Kinder, der Cousin – ein leidenschaftlicher Imker – sowie eine alte Nachbarin versammelt. Auch die Gattin fehlt nicht und richtet höchstpersönlich das Dessert – Obstsalat mit Vanilleeis und für alle, die wollen selbst gemachten Eierlikör.

 

Zum anstehenden Prozess meinte Toni Hubmann mit unschuldig erhobenen Armen in der Lagerhalle stehend: „Bei einer Million Eier ist die Bude voll“, er könne also gar nicht gemacht haben, was ihm vorgeworfen wird. Verurteilt wurde er im Juli dann trotzdem, nicht rechtskräftig zu 22 Monaten bedingter Haft.